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Die Hinterlassenschaften des Kriegs

Auch 78 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden bei Erdarbeiten im Kreis Düren (Nordrhein-Westfalen) immer noch Kampfmittel gefunden. Die Einbindung des Kampfmittelbeseitigungsdiensts ist bei allen Bauprojekten daher obligatorisch. Was das für das Repowering-Vorhaben Jülich-Güsten heißt, schildert Projektleiterin Christina Cüppers.

Tief im Westen der Republik, zwischen Aachen und Köln, liegt der Kreis Düren. Hier plant JUWI nahe Jülich gemeinsam mit seinem Mutterkonzern MVV Energie, den Bau von vier modernen Windenergie-Anlagen der Fünf-Megawatt-Klasse. Sie ersetzen fünf in die Jahre gekommene Bestandsanlagen, die um die Jahrtausendwende errichtet wurden. Aktuell stehen die Tiefbauarbeiten für den neuen Windpark an: Aufbereitung der Kranstellflächen, Ausbau der Zuwegung, Aushub der Kabeltrasse, und vieles mehr. Anschließend folgt der Rückbau der Altanlagen. Doch bevor die ersten Kubikmeter Erde bewegt werden können, musste das Gelände großflächig auf Kampfmittel abgesucht werden. Denn rund um die mittelalterliche Festungsstadt Jülich tobte der zweite Weltkrieg kurz vor seinem Ende noch mit aller Härte: allein beim Luftangriff am 16. November 1944 mit mehr als 1.000 britischen Bombern fielen etwa 125.000 Spreng- und Brandbomben auf die Stadt. 97 Prozent des Gebäudebestands wurde komplett zerstört. Und auch am Boden wurde erbittert gekämpft, bis die amerikanischen Truppen schließlich von Belgien kommend den Rhein erreichten und die Westfront im Frühjahr 1945 endgültig zusammenbrach. Die Hinterlassenschaften dieser Gefechte – Bomben, Blindgänger, Granaten und Munitionsreste – liegen bis heute in der Erde, zum Teil noch unentdeckt. 

Aufgrund dieser Historie und einer Blindgänger-Quote von etwa zehn Prozent, verpflichtet das Land Nordrhein-Westfalen alle Bauherren nachzuweisen, dass das zu bebauende Grundstück frei von Kampfmitteln ist und somit keine Gefahr mehr von diesen ausgehen kann

Zusammen mit ihrem Projektteam entwickelte sie das Repowering-Vorhaben Jülich-Güsten. „Die Abstimmung erfolgt zunächst mit dem zuständigen Ordnungsamt“, so Cüppers. „Liegt das Grundstück in einer sogenannten Kampfmittelverdachtsfläche, schaltet sich der Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Düsseldorf ein. Die Fläche muss dann untersucht und bewertet werden.“ 

Luftbildauswertung und Flächensondierung

Die Luftbildauswertung ist dabei der erste Schritt und die Grundvoraussetzung für alle weiteren Maßnahmen. Sie erfolgt über die Sichtung historischer Luftbilder, die vor und nach den Angriffen der alliierten Truppen systematisch angefertigt wurden und die heute in nationalen und internationalen Archiven bereitgestellt werden. „Die Prüfung nimmt etwa acht Wochen in Anspruch“, erläutert Cüppers. 

Sind auf den Luftbildern konkrete Objekte (Blindgänger-Verdachtspunkte, Laufgräben, Panzergräben, Schützenlöcher, Stellungen oder militärische Flächen) zu erkennen, die auf eine Kampfmittelexistenz schließen lassen, empfiehlt der Kampfmittelräumdienst die Überprüfung dieser konkreten Verdachtsobjekte. 

Ebenso verhält es sich bei diffusem Verdacht, also wenn im Luftbild lediglich die Auswirkungen von Kampfhandlungen zu sehen sind. Hierzu zählen unter anderem der Beschuss durch Artilleriemunition oder durch Bombardierung zerstörte Gebäude. In diesen Bereichen besteht nach wie vor die Gefahr von nicht detonierter Munition. Liegen sie im Bereich konkret geplanter Erdeingriffe, so wird die Überprüfung auf Kampfmittel direkt vor Ort empfohlen. Dies erfolgt dann mit geophysikalischen Mitteln. „Ein solcher diffuser Verdacht lag auch am Standort Jülich-Güsten vor“, sagt Christina Cüppers. „Mit einer Flächensondierung wollten wir dann endgültig Klarheit haben.“
 

Grundsätzlich lassen sich dabei aktive und passive Sondierungssysteme unterscheiden. Aktive Sondierungssysteme leiten Impulse in die Erde und messen deren Rücklauf und machen so ferromagnetische Anomalien (z.B. Kampfmittel) ausfindig. Passive Sondierungssysteme messen großflächiger und können Fremdkörper je nach Baugrundverhältnissen und Größe des Objektes bis maximal drei Meter Tiefe orten.

Die Entscheidung, das Vorhabengebiet sondieren zu lassen, stellte sich als die absolut richtige heraus. „Dadurch wurde die Sondierung zwar etwas aufwendiger und zeitintensiver, denn um Bombenblindgänger, die bis zu acht Meter tief in die Erde eindringen können, zu lokalisieren, musste eine so genannte Tiefsondierung durchgeführt werden“, erläutert Christina das Vorgehen des Räumungsdienstes. Dabei werden in einem wabenförmigen Raster – beginnend vom Mittelpunkt – bis zu 61 Bohrungen bis zu einer Tiefe von 7,5 Meter eingebracht. In diesen Bohrungen wird dann mit einem Magnetometer detektiert. Wird ein Eisenkörper gefunden, muss er geborgen werden. Entweder in einer offenen Grube oder mit einer Baugrubensicherung aus Aluminiumringen. Handelt es sich bei dem detektierten Eisenkörper tatsächlich um eine Bombe, so wird diese in der Regel vor Ort entschärft. „In unserem wurde zwar kein Bombenblindgänger gefunden, dafür aber vier Erdkampfmittel und sechs Kilogramm Munitionsteile“, fasst die Projektleiterin das Ergebnis der Sondierungen zusammen. „Die Erdkampfmittel wurden direkt vor Ort unschädlich gemacht.“

Der Einsatz war somit nicht umsonst. Denn nach Abschluss der Sondierung von mehr als 42.000 Quadratmeter Fläche herrscht wieder ein Stückchen mehr Gewissheit darüber, wo im Kreis Düren noch Gefahren im Boden lauern und wo nicht mehr.