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Worum geht es?

„Sicherlich nicht der gordische Knoten, der nun durchschlagen wurde.“

Mit der Novelle des Raumordnungsgesetzes entfällt unter anderem die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und zur artenschutzrechtlichen Prüfung für Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie Stromnetze in ausgewiesenen Vorranggebieten. Wir baten Christian Arnold, Geschäftsführer für das deutsche Projektentwicklungsgeschäft bei JUWI, um eine Einordnung.
Christian Arnold

Christian, Wirtschaftsminister Habeck sieht in der nun erzielten Einigung einen „Windausbau-Beschleuniger, wie wir ihn noch nicht hatten.“ Teilst Du die Einschätzung aus Sicht eines Projektierers?
Es ist durchweg zu begrüßen, dass die Koalition nach langer Diskussion – eigentlich sollte das Gesetz schon vor einem Monat beschlossen worden sein – nun zu einer Einigung gekommen ist. Denn wir brauchen dringend mehr Geschwindigkeit in den Genehmigungsverfahren. Als bundesweit aktiver Projektentwickler haben wir geprüft, in wie vielen Fällen wir von der Neuregelung Gebrauch machen könnten. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Tatsächlich erfährt damit nur ein geringer Anteil der aktuellen Projekte eine Beschleunigung. In den von uns bis dato ausgewerteten Regionen reden wir über einen Anteil in der Größenordnung von 15 Prozent. Der Hauptgrund dafür ist, dass wir häufig in Gebieten planen, für die aktuell noch keine rechtskräftige Ausweisung als Windenergie-Gebiet besteht. Teilweise muss das Planungsrecht erst noch geschaffen werden, teilweise sind Pläne gerichtlich außer Kraft gesetzt worden. Ohne bestehende Flächenausweisung fehlt die Grundlage für die Anwendung der Vereinfachungen.

Das heißt, Du würdest die Regelung nicht als den großen „Windkraft-Beschleuniger“ sehen, wie er aktuell gerne verkauft wird? Was ist erforderlich, um die Wirkung zu verstärken?
Die Regelung ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zur Beschleunigung des EE-Ausbaus. Sie ist aber sicherlich nicht der „gordische Knoten“, der nun durchschlagen wurde. Die Wirkung der Regelung könnte perspektivisch deutlich erhöht werden: Zum einen durch eine schnelle Flächenausweisung auf allen Ebenen (Länder, Planungsregionen, Landkreise, Kommunen). Zum anderen durch eine Verlängerung der Regelung über den 30. Juni 2024 hinaus. Dann könnten die Vereinfachungen auch in Projekten genutzt werden, für die eine Flächenausweisung erst nach dem 30. Juni 2024 erfolgt.

Und unter diesen beiden Bedingungen könnte das Gesetz dann tatsächlich für die erforderliche Beschleunigung des Windenergieausbaus sorgen, die wir für die Erreichung der 2030 Ziele brauchen?
Ohne Wasser in den Wein zu gießen, für die Zielerreichung 2030 braucht es noch viele weitere Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Aus Sicht der Projektentwicklung braucht es allen voran v.a. noch die lange angekündigte Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetztes (BImschG), um die komplexen Genehmigungsverfahren zu entschlacken. Es muss klargestellt werden, wann Antragsunterlagen vollständig und prüffähig sind. Fehlende oder unzureichende Unterlagen müssen auf eine Nachforderung begrenzt werden. In Verbindung mit straffen Fristen und einer sogenannten Fiktion der Vollständigkeit können Fristen dann auch tatsächlich ihre Wirkung entfalten und beschleunigen. Diese BImschG Novelle ist der zentrale Baustein, um die Genehmigungsverfahren auf die Überholspur zu bringen und gleichzeitig die Behörden zu entlasten. 

Wie bewertest Du denn die Aufnahme der PV-Freifläche in die Regelung? Auch diesen Anlagen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, auf eine UVP in laufenden und künftigen Genehmigungsverfahren zu verzichten.
Auch hier gilt die Aussage, dass diese Regelung prinzipiell zu begrüßen ist. Bei PV-Freiflächen Projekten ist die Bedeutung der UVP Prüfung bzw. des Umweltberichts im Rahmen des Genehmigungsverfahrens jedoch deutlich weniger der Hemmschuh als bei Wind an Land Projekten. Zudem soll die artenschutzrechtliche Prüfung bei PV-Freiflächen-Projekten weiterhin stattfinden. Damit verliert die Regelung eine wesentliche potenzielle Beschleunigungsoption. 

Wie ist aus Deiner Sicht die Aufnahme von Stromspeicheranlagen in die Regelung zu bewerten? Diesen soll nun ebenfalls ein „überragendes öffentliches Interesse“ zugebilligt werden, wie wir es auch für die erneuerbaren Energien im EEG haben.
Dies ist ein richtiger und wichtiger Schritt. Als Projektentwickler werden wir zunehmend in unseren Projekten auch gleich die Speicheroption mitplanen, um mehr Flexibilität in die Strombereitstellung zu bringen. Da ist es nur folgerichtig, dass nicht nur die EE-Anlagen im Außenbereich, sondern auch die Speicheranlagen im überragenden öffentlichen Interesse stehen. Denn für die Energiewende brauchen wir neben den EE-Erzeugungskapazitäten vor allem auch die Flexibilitäten. Gleiches gilt übrigens auch für die Verteilnetze, die ja ebenfalls den Titel „überragendes öffentliches Interesse“ erhalten sollen und ohne die wir die EE-Kapazitäten in der Fläche nicht angeschlossen bekommen. Auch für die Stromspeicher und die Verteilnetze ist eine Verlängerung der Regelungen über den 30.06.2024 hinaus wichtig, damit sie dann langfristig Wirkung entfalten.